Von Claudia Wessel, Grünwald, Süddeutsche Zeitung
Die Partei stellt in Grünwald auch künftig beide Stellvertreter des Bürgermeisters. Die anderen Fraktionen im Gemeinderat reagieren enttäuscht
Mit deutlichen Verstimmungen auf beiden Seiten beginnen die sechs Jahre, in denen der neue Gemeinderat in Grünwald die Geschicke des Ortes bestimmen wird. Grund ist die Tatsache, dass beide ehrenamtliche Bürgermeister wieder von der CSU sind. Mit 14 Ja-Stimmen und elf Nein-Stimmen wurde Stephan Weidenbach wieder zum Zweiten Bürgermeister gewählt, es gab keinen Gegenkandidaten. Ebenfalls 14 Stimmen erhielt Uschi Kneidl (CSU), und wurde damit Dritte Bürgermeisterin. Gegenkandidatin Ingrid Reinhart (Grüne), erhielt elf Stimmen.
Die Nicht-CSUler im neuen Gemeinderat waren allesamt enttäuscht. Ingrid Reinhart sagte, nachdem sie Uschi Kneidl gratuliert und betont hatte, dass ihre Äußerung keinesfalls persönlich gemeint sei, weil sie Kneidl sehr schätze: „Ich finde es nicht gut für die Zukunft des Gemeinderats, wenn wieder alle Posten von der CSU belegt sind.“ Natürlich habe die CSU mit 53,6 Prozent die absolute Mehrheit errungen, jedoch seien auch die 46,5 Prozent, mit denen die anderen Parteien gewählt wurden, „nicht gerade wenig“. „Diesen Wählern wird die kalte Schulter gezeigt.“
Sie wies auch darauf hin, dass es in anderen Landkreisgemeinden durchaus üblich sei, selbst bei einer Mehrheit einer Partei einen Posten eines ehrenamtlichen Bürgermeisters an eine Person von einer anderen Partei zu vergeben. „Damit zeigt man, dass man zusammenarbeiten will.“ Ein Gemeinderat sei schließlich „kein Parlament, es geht nicht um Parteien“, sondern darum, Themen im Ort gemeinsam zu behandeln. Auch Oliver Schmidt von den Parteifreien (PBG) klagte: „Es war ja leider in den letzten 18 Jahren nicht üblich, einer anderen Fraktion das Amt des Dritten Bürgermeisters zu überlassen. Die Kollegialität, die Sie vermeintlich pflegen wollen, sehe ich da nicht. Ein Gespräch mit der CSU zu dem Thema vorher hatte auch keinen Erfolg.“ Er bat die CSU auch vor der Wahl an dem Abend: „Gehen Sie noch einmal in sich.“ Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU) musste als Antwort erst einmal etwas richtigstellen: „Von 2002 bis 2008 hatten wir sehr wohl eine Dritte Bürgermeisterin von einer anderen Partei, nämlich Christine Paeschke von den Parteifreien. So lange, bis diese sie rausgeschmissen haben.“ Auch habe man in der Periode 2008 bis 2014 eine Dritte Bürgermeisterin aus einer anderen Partei gehabt, nämlich Renate Nöbel von der SPD.
Christine Paeschke (CSU), Kneidls Vorgängerin im Amt der Dritten Bürgermeisterin, wurde von Neusiedl feierlich verabschiedet. Er wies auch darauf hin, dass sie seit genau 30 Jahren im Gemeinderat sei, was man aber leider erst kurz vorher bemerkt habe, sonst hätte sie einen Blumenstrauß bekommen. Auch dies fand Ingrid Reinhart etwas enttäuschend, wie sie nach der Sitzung sagte. „Ich bin heute auch seit genau 25 Jahren im Gemeinderat.“ Sie hätte sich ebenfalls über Glückwünsche gefreut, ließ sie wissen.
Zu der Causa Dritte Bürgermeisterin sagte Stephan Weidenbach nach der Sitzung: „Die Bitte um ein Gespräch zu dem Thema kam erst gestern Vormittag. Da war alles schon entschieden. Man hätte sich in der Zeit seit dem 16. März durchaus in Ruhe unterhalten können.“ Hätte er denn zugestimmt, wenn man sich früher an ihn gewandt hätte? Wohl eher nicht, „bei dem Wahlkampf, den wir erlebt haben“, sagte er. Auch zeigte er sich sehr enttäuscht darüber, dass die anderen Parteien ihn nicht mit zum Zweiten Bürgermeister gewählt hatten. „Wo sie mich doch vorher immer so gelobt haben“, sagte er. „Das war jetzt auch kein Schritt zu besserer Zusammenarbeit, das war ein Rückschritt.“ Zur Besetzung der Ämter sagte er noch: „Die Wähler wollten, dass die CSU die absolute Mehrheit bekommt.“ Darüber hinaus sei ja auch Bürgermeister Jan Neusiedl mit mehr als 70 Prozent wiedergewählt worden, was auch ein Zeichen dafür sei, dass die Wähler die CSU wollten.
Merkur:
Der endgültige Bruch mit der Tradition, er ist nun vollzogen. Als die CSU im Jahr 2002 den Bürgermeister stellte, hielt sie an dem Brauch erst einmal fest, das Amt des Dritten Bürgermeisters einer anderen Fraktion zuzugestehen. Zunächst bekam Christine Paeschke das Amt. Sie wurde später von der PBG-Fraktion ausgeschlossen. Im Anschluss war Renate Nöbel (SPD) Dritte Bürgermeisterin, in der vergangenen Wahlperiode wieder Christine Paeschke, die mittlerweile zur CSU gewechselt war. Also könnte man argumentieren, dass die CSU in der jüngsten Vergangenheit der Person wegen das Dritte Bürgermeisteramt legitimerweise fortführte. Doch diese Begründung fällt spätestens mit der Wahl Ursula Kneidls weg. Diese wird zwar über die Fraktionen hinweg auch persönlich sehr geschätzt, aber durch ihre Wahl wird zum Auftakt der Amtsperiode ein Keil zwischen die CSU und den Rest getrieben. Indem sich die CSU verwehrt, die kleinen Fraktionen mit einem hohen Amt zu betrauen, verhält sie sich nicht kollegial. Der spiegelbildliche Charakter des Gemeinderates ist nicht gewahrt. Ingrid Reinhart kritisiert zurecht das falsche Zeichen, das mit einem Ausschluss der kleinen Fraktionen in diesem Punkt einhergeht. Der Gemeinderat ist eben kein Parlament, daher gibt es auch keine Opposition. Das Miteinander sollte im Vordergrund stehen, nicht das Beharren auf Mehrheitsverhältnissen zur alleinigen Durchsetzung des eigenen Willens. Denn das entspricht nicht dem Geist des politischen Gremiums.
Quellenangabe: Münchner Merkur – Süd vom 09.05.2020, Seite 34
Grünwald – Das Zauberwort in der konstituierenden Sitzung des Grünwalder Gemeinderates lautete: Spiegelbildlichkeit. Und wie es eben so ist im Leben und beim Zaubern, wer den Stab in der Hand trägt, der hat die Deutungshoheit. Oder anders formuliert: Wer die Mehrheit besitzt, setzt die eigene Interpretation durch. Dabei ging es um zwei Festlegungen: nämlich um die Besetzung der Ausschüsse und um die Wahl des Dritten Bürgermeisters. Beides wurde kontrovers diskutiert und im Sinne der CSU mit 14:11 Stimmen entschieden.
Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, die Zahl der Ausschussmitglieder von zehn auf elf aufzustocken. Ingrid Reinhart (Grüne) war damit nicht einverstanden: „Es ist ja schön dass sich die Verwaltung darüber Gedanken macht, die Spielbildlichkeit zu wahren.“ Im Ergebnis ändere sich, dass die CSU durch die Aufstockung von zehn auf elf einen Sitz mehr bekommt. Zusätzlich stelle die Partei auch den Vorsitzenden des Ausschusses und habe damit also eine noch komfortablere Mehrheit.
Dagegen argumentierte Stephan Weidenbach (CSU), dass der Bürgermeister kraft seines Amtes im Ausschuss sitzt. Er sei aber kein Gemeinderatsmitglied. Die Sitzverteilung schließe ihn nicht mit ein. Daher würden die Elfer-Ausschüsse den Gemeinderat genauer abbilden.“ Was die rechtliche Auslegung angeht, kann auch Oliver Schmidt (PBG) nichts einwenden. Es gebe keine kommunalrechtliche Einschränkung. Er hält aber eine Pattsituation auch bei Zehner-Ausschüssen für quasi ausgeschlossen. Das habe die Vergangenheit gezeigt. Deshalb hält er es für falsch, mit der Tradition zu brechen. Michael Ritz (FDP) schob nach: „Dass Sie die Anzahl erhöhen, zeigt, wie viel Angst Sie haben, einmal überstimmt zu werden.“
Auch bei der Wahl der weiteren Bürgermeister war die Freude einseitig. Stephan Weidenbach bekam 14 von 25 Stimmen. Er ist der am längsten amtierende Zweite Bürgermeister der Gemeinde Grünwald. Die bisherige Dritte Bürgermeisterin Christine Paeschke gab freiwillig ihren inoffiziellen Anspruch auf das Amt ab und unterstützte Uschi Kneidl (CSU). Diese habe die meisten Wählerstimmen auf sich versammelt und dieses Votum solle in die Wahl einfließen. Kneidl sei prädestiniert aufgrund ihrer guten Vernetzung in den Kirchen und im sozialen Bereich. Schließlich sei sie Mitbegründerin der Nachbarschaftshilfe. Ihre liebenswerte und ausgleichende Art seien weitere gute Gründe. Letzteres gilt auch für Ingrid Reinhart (Grüne), die von den übrigen Fraktionen vorgeschlagen wurde.
Oliver Schmidt (PBG) warb für sie. Die Grünwalderin gehöre seit über einem Vierteljahrhundert dem Gemeinderat an. Sie sei selbstbewusst, kritisch und aufmerksam. „Im Helferkreis ist sie Vorsitzende und hat zum Wohl der Gemeinde Großartiges geleistet.“ Hier komme auch die Spiegelbildlichkeit ins Spiel, indem mit ihr die Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat richtig repräsentiert würden. „Damit kommt der Wählerwille zum Ausdruck.“ Schmidt hält es für falsch, den Dritten Bürgermeister auch aus den Reihen der CSU zu stellen. Doch die kleineren Fraktionen musste sich auch hier mit 11:14 Stimmen geschlagen geben.
Sieben Gemeinderäte
haben jetzt ihre Eidesformeln gesprochen. Claudia Fried und Tobias Mastrodonato (beide CSU), Bettina Schreyer und Corinna Gast (beide Grüne), Sandra Gutheil und Sophie Sedlmair (beide PBG) sowie Angela Zahn (FDP).
Quellenangabe: Münchner Merkur – Süd vom 09.05.2020, Seite 34
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