Ein Artikel der digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 02.07.2021
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Landkreis München, 02.07.2021
von Claudia Wessel
Grünwald ist ein geheimnisvoller Ort. Wer die Wohngebiete durchstreift, sieht hohe Mauern und Hecken, die die dahinter liegenden Häuser oft gänzlich verbergen. Auf Klingelschildern findet sich oft kein Name, dafür manchmal ein Ziffernblock, auf dem der Bewohner seine Geheimzahl eingeben kann. Viele Normalsterbliche fragen sich, wie es wohl in den hochherrschaftlichen Anwesen von in Grünwald lebenden VIPs aussehen und zugehen mag.
Ihre Fantasie wurde nun in der jüngsten Gemeinderatssitzung kräftig angeregt. Die Grünen hatten einen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung für den Gemeinderat gestellt. Sie wünschten sich ein Recht auf Akteneinsicht für die einzelnen Gemeinderäte, einfach damit sie sich in bestimmte Themen des Gremiums besser einarbeiten könnten. In der Erläuterung zum Antrag ließ die Grüne Ingrid Reinhart eigens wissen, dass es nicht darum gehe, die privaten Daten von Bürgern zu ergründen, weder deren Steuergeheimnisse noch Geheimnummern oder sonstige Dinge, die sie zu ihrem Schutz brauchen.
Trotzdem begründeten Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU) und Hauptamtsleiter Tobias Dietz die ablehnende Beschlussvorlage mit genau solchen Dingen. In der Gemeinde lebten viele „honorierte Persönlichkeiten, die Auskunftssperren zum Schutz vor Gefahren für Leben, Gesundheit und persönliche Freiheit eingetragen“ hätten. Dietz erwähnte etwa, dass es in Grünwald Menschen gebe, die Angst um ihr Leben hätten und deshalb in ihren Häusern einen Panikraum eingerichtet hätten. Für Normalsterbliche: Das ist ein gut gesicherter Raum, in dem man sich vor Eindringlingen schützen kann, bis die von dort zu alarmierende Polizei eintrifft und die Verbrecher erledigt hat. Die Einrichtung kostet rund 20 000 Euro.
Nein, ganz sicher wollten die Grünen nicht, dass die Grünwalder Gemeinderäte durch ihr Schnüffeln in Verwaltungsakten erfahren, in welchen Villen es einen Panikraum gibt. Dass das ja wohl auch nicht aus schlichten Unterlagen hervorgehen werde, warf Achim Zeppenfeld von der SPD ein: „Im Bauantrag steht ja wohl nicht: Hier befindet sich ein Panikraum und dort ein SM-Studio.“ Darauf erhielt er keine Antwort mehr vom Verwaltungstisch, die CSU-Mehrheit lehnte das Ansinnen ab.
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