Grünwald will keinen externen Rat fürs Rad

Die Gemeinde macht die Aufnahme in die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen wieder rückgängig. Stattdessen wird nun doch die Stelle eines Fahrradbeauftragten im Rathaus besetzt – das reicht, findet die CSU-Mehrheit.

Süddeutsche Zeitung vom 7.7.23

Von Udo Watter, Grünwald

 

Als Heimat der High-Performer und Sehnsuchtsort der Top-Verdiener hat Grünwald vor Kurzem eine ungewohnte Erfahrung gemacht: Letzter! Beim bundesweiten Fahrradklimatest des ADFC bekam das politisch schwarze Grünwald die rote Laterne zugesprochen: Schlusslicht im Landkreis München, Note 4,4. Im bundesweiten Ranking der Kommunen nur Platz 433. Es gäbe also durchaus Gründe, sich für die Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen (AGFK) in Bayern zu bewerben. Die Gemeinde verzichtet dennoch drauf.

In der jüngsten Sitzung des Gemeinderats lehnte die CSU mit ihrer absoluten Mehrheit erst einen aktualisierten Antrag der Grünen zum Thema ab, der 2021 noch – antizipierend – angenommen worden war. Der Gemeinderat hatte damals diesem Antrag auf Aufnahme in die AGFK mehrheitlich zugestimmt, mit der Einschränkung, ihn erst umzusetzen, wenn die in derselben Sitzung beschlossene Stelle eines Fahrradbeauftragten besetzt worden ist. Da es sich im Nachgang freilich als schwierig herausstellte, für diese Position einen geeigneten Kandidaten zu finden, entschlossen sich die Grünen jetzt, den Antrag erneut zu stellen – unabhängig und entkoppelt von der Stellenbesetzung.

Die CSU lehnte ab. „Ohne viel Diskussion“, wie sich Ingrid Reinhart, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Gemeinderat, wundert. Dem nicht genug: CSU-Gemeinderat Gerhard Sedlmaier schaltete quasi noch einen Gang höher und beantragte, den 2021 beschlossenen Antrag aufzuheben und von einer Bewerbung auf Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft abzusehen. Das wurde gegen die Stimmen von Grünen, SPD, FDP und PBG von der CSU-Mehrheit mit 13 zu elf Stimmen durchgesetzt. Diese erachtet eine Mitgliedschaft in der Arge fahrradfreundlicher Kommunen als verzichtbar. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt.

Nein, natürlich seien er und seine Parteikollegen „keine Radlgegner“, erklärt Sedlmaier. „Aber ich bin kein Freund einer Situation, wo uns von draußen reingeredet wird“, begründet er seinen Vorstoß. „Ich finde es besser, wenn wir es selber machen.“ Was er damit meint: Die Gemeinde Grünwald hat jetzt doch endlich die Stelle des Fahrradbeauftragten besetzen können, dieser wird seine Arbeit im September antreten. Wenn nun also der Fahrradbeauftragte im Rathaus sitzt, wäre es seiner Arbeit womöglich abträglich, von einer überregionalen Arbeitsgemeinschaft mit Ratschlägen beeinflusst zu werden, die der speziellen Situation in der Gemeinde nicht gerecht würden – so offenbar die Befürchtung der CSU.

„Bei uns ist es schwierig“, so Sedlmaier mit Blick auf die Fahrradinfrastruktur und die Enge mancher Wege. „Man kann nicht so einfach Straßen umgestalten oder Parkplätze wegnehmen. Letzteres gerade auch wegen der alten Menschen.“ Und fügt hinzu: „Das Auto wird noch lange ein wesentliches Verkehrsmittel sein.“

„Wir sind für Autos und wir ändern sowieso nix.“

Ein bisschen liegt der Verdacht nahe, dass da ein nicht ganz ideologiefreier Konflikt in punkto Mobilität ausgefochten wird. „Auf mich wirkt das Verhalten der CSU so: ,Wir sind für die Autos und wir ändern sowieso nix‛“, kritisiert Ingrid Reinhart. Der reiche Vorort im Münchner Süden, in dem die Dichte der Einkommensmillionäre und SUVs dem Klischee entsprechend tatsächlich hoch ist, war erst vor einigen Monaten in die Schlagzeilen geraten, weil bei einer Diskussion über die Einführung von flächendeckendem Tempo 30 der mutmaßlich scherzhafte Satz von einem CSU-Gemeinderat gefallen war, die vielen „dicken Autos“ der Grünwalder könnten eh nicht 30 fahren. Das flächendeckende Tempolimit wurde damals abgelehnt, freilich mit anderen, etwas ernsthafteren Begründungen.

Was die Perspektive der Radler in Grünwald angeht, sind die Grünen gerade nicht übermäßig zuversichtlich. „Das alles verstärkt den Eindruck, dass eine spürbare Verbesserung für Radfahrerinnen und Radfahrer in Grünwald in naher Zukunft, trotz der Stellenbesetzung eines Fahrradbeauftragten, nur schleppend, wenn überhaupt, umgesetzt werden wird“, schreiben sie in einer Presseerklärung. Reinhart und ihre Partiefreunde sind überzeugt davon, dass auch der Fahrradbeauftragte eine Beratung durch die AGFK als Unterstützung gesehen hätte.

 

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