Transparenz im Lichte der Öffentlichkeit

Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 18.02.2023

Autor: Martin Mühlfenzl

Bisher haben die Grünwalderinnen und Grünwalder nur bei der alljährlichen Bürgerversammlung die Möglichkeit, sich aktiv in das politische Geschehen einzubringen. Und das nutzen sie in der Regel auch – bei der letzten Zusammenkunft im Oktober waren etwa 200 Personen anwesend und brachten zudem eine regelrechte Flut an Anträgen ein, die der Gemeinderat oder der jeweils zuständige Ausschuss eigentlich innerhalb einer Frist von drei Monaten zu bearbeiten hat. Nun aber hat das Vorgehen von Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU) und seiner Verwaltung zu allerhand Unmut innerhalb des Gemeinderates geführt, denn der Rathauschef wollte zwei Anträge – unter anderem einen über mehr Bürgerbeteiligung – jüngst im Verwaltungsausschuss ausgerechnet unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten lassen. Doch dies ging nach hinten los.

In der Bürgerversammlung hatte Marco Deutsch, der für die FDP bei der Landtagswahl als Direktkandidat im Stimmkreis München-Land Süd antreten wird, gefordert, eine 15-minütige Bürgersprechstunde vor jeder Sitzung des Gemeinderats einzuführen; ein Ansinnen, dem sich eine Mehrheit der Bürger anschloss. Ein weiterer Antrag, der ebenfalls angenommen wurde, sah vor, eine Partnerschaft mit einer ukrainischen Kommune zu prüfen. Beide Anträge aus der Bürgerversammlung fanden also Eingang in die Tagesordnung des Verwaltungsausschusses, allerdings im nicht öffentlichen Teil.

Daran störten sich – außer der CSU, die innerhalb des Gemeinderates die absolute Mehrheit hält – alle Fraktionen von den Grünen über die SPD, FDP bis hin zu den Parteifreien Bürgern Grünwald (PBG). FDP-Gemeinderat Michael Ritz sagte im Vorfeld der Sitzung auf SZ-Nachfrage, dieses Vorgehen sei vollkommen unangemessen, Punkte aus der Bürgerversammlung müssten zwingend im Lichte der Öffentlichkeit behandelt werden.

Ingrid Reinhart zitiert die Bayerische Gemeindeordnung

Ingrid Reinhart, Gemeinderätin der Grünen, ging sogar noch einen Schritt weiter und leitete den Vorgang an die Rechtsaufsicht im Münchner Landratsamt weiter. „Es gibt hier in der Geschäftsordnung ganz klare Vorgaben, wie solche Anträge zu behandeln sind“, sagte Reinhart zur SZ. „In beiden Fällen war klar, dass der Gemeinderat zuständig ist und nicht der Verwaltungsausschuss. Und es ist auch ganz klar, dass die Bürgerinnen und Bürger auch ein Interesse daran haben, dass so etwas in öffentlicher Sitzung diskutiert wird.“

Dies alles hatte Reinhart im Vorfeld der Sitzung auch in einem entsprechendem Antrag an den Rathauschef so formuliert und dabei aus der Bayerischen Gemeindeordnung zitiert: „Die Sitzungen sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche Einzelner entgegenstehen.“ Also etwa bei Personalangelegenheiten, Grundstücksverhandlungen oder Rechtsgeschäften.

Nach kurzem Disput im Verwaltungsausschuss zwischen CSU und Grünen schaltete sich dann Grünwalds Zweiter Bürgermeister Stephan Weidenbach (CSU) ein, der die Sitzung in Vertretung von Rathauschef Jan Neusiedl leitete. Er nahm die beiden Punkte Bürgersprechstunde und Städtepartnerschaft von der nicht öffentlichen Tagesordnung und überwies sie schließlich in die nächste Gemeinderatssitzung am Dienstag, 28. Februar – und zwar in den öffentlichen Teil, an dem alle interessierten Bürger teilnehmen können. Dann wird das Gremium auch darüber befinden, ob jeweils eine Viertelstunde lang vor jeder Sitzung, Bürgerinnen und Bürger Fragen stellen dürfen – wie das offenkundig eine Mehrheit auch will.

 

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